|
|||||||||||||||||||||
georg klein komposition | klangkunst | medienkunst
Geboren am 1. 3. 1964, lebt seit 1987 in Berlin, arbeitet als Komponist, Klang- und Medienkünstler.
Studium der Elektronik und Akustik. Von 1991-94 Forschungsarbeit zur Visualisierung von Klängen für Gehörlose an der TU Berlin. Danach Studium der Religionsphilosophie und der Musikethnologie an der FU Berlin. Gastdozent am Institut für Vergleichende Musikwissenschaft der FU Berlin zum Thema „Musik & Religion“. Seit 1996 freischaffend als Komponist mit konzertanten Werken (Gustav-Mahler-Kompositionspreis 1999), Musik zum Film und Theater (Peter Zadek/Berliner Ensemble, 2004). Juli 1999 konzeptionelle Grundlegung von coma berlin: Produktion intermedialer Kunst | Sondierung, Entwicklung und Realisierung von Klangsituationen. Klangkunststipendium des Berliner Senats 2000 (transition – berlin junction vor der Philharmonie Berlin), Deutscher Klangkunstpreis 2002 (Ortsklang Marl Mitte, Marl/NRW). 2002-2006 Vorstandsmitglied der Berliner Gesellschaft für Neue Musik. 2002 Gründung von KlangQuadrat, büro für klang- und medienkunst mit Julia Gerlach in Berlin. Realisierung von TRASA warszawa-berlin 2004 und TRASA 06 mit den Städtepaaren Hannover – Poznan, Darmstadt – Plock.
TRASA - Ein bimedialer Kontaktraum
Herr Klein, die von Ihnen als „audiovisuelle Situation“ bezeichnete Klang-Video-Installation TRASA verbindet jeweils zwei urbane Räume in Deutschland und Polen. Wie kam es dazu?
Seit meiner Arbeit transition interessiere ich mich für Passagenräume, Übergangsräume. Der ständige, nie endende Fluss von Menschen darin ist äußerst faszinierend und vermittelt unmittelbar, was das moderne Leben kennzeichnet: das individualisierte Aneinandervorbeilaufen, jeder für sich und doch in einem Strom, frei und zugleich beschränkt, zielgerichtet und zugleich verloren.
In der Installation läuft man buchstäblich aneinander, aber zugleich an sich selbst vorbei.
Ja, aus der Wand wie in Poznan und Hannover oder dem Schaufenster wie in Darmstadt oder Plock wird ein Fenster in den anderen Stadtraum und zugleich ein Spiegel, in dem man sich selbst sieht.
In der ersten Realisation dieser Installation in Berlin und Warschau konnte man feststellen, dass die Leute sich nicht sofort erkannten, sondern erst erproben mussten, dass sie selbst es sind, die da zu sehen sind.
Das liegt zum einen an der visuellen Verfremdungstechnik, mit der ich aus dem Realbild ein schemenhaftes Kontrastbild mache, und es liegt daran, dass es eine Zeitverzögerung von 2 Sekunden gibt, sowohl beim übers Internet übertragenen Bild als auch im Vor-Ort-Bild. Beides, die Verfremdung und die Verzögerung ist für die Wahrnehmung ein entscheidendes Moment. Die Passanten sind sich zunächst unsicher, ob sie es selbst sind, die da zu sehen sind, und fangen an, einen Arm oder den Kopf zu bewegen, um sich zu vergewissern. Mit Verzögerung reagiert dann quasi das Spiegelbild auf die eigenen Bewegungen, und so fängt ein Spiel mit sich selbst an.
Eine akustische Übertragung haben Sie bewusst weggelassen und stattdessen Klang und Gedichtverwebungen gestaltet. Warum?
Ich halte es zunächst für einen Vorteil, wenn, wie hier zwischen Deutschen und Polen, die Sprache als Kommunikationsmittel keine Rolle spielt, da die wenigsten Deutschen polnisch können und auch in Polen die Jüngeren eher englisch als deutsch gelernt haben. Stattdessen habe ich hier neben dem elektronischen Grundklang, der den Raum in eine bestimmte Klangfarbe taucht, zwei Gedichte eingesetzt, die über eine interaktive Textstrecke akustisch erfahrbar werden. Gehen die Passanten über diese Textlinie, taucht eine Stimme auf. Bleiben die Passanten im Laserstrahl stehen, hört man deutlicher die Sprechstimme. Bewegt man sich langsam auf dieser Textlinie entlang, so kann man das gesamte Gedicht hören.
Worum geht es in diesen Gedichten?
In beiden Texten werden recht intime Situationen des Zusammenkommens und doch nicht Zusammenkommens beschrieben. In beiden geht es um etwas, das fehlt. Das ist sozusagen eine Reflexion auf die reale Situation in dieser Installation: Die Leute sehen sich gegenseitig und sind zugleich weit voneinander entfernt. Eine „entfernte Nähe“, wie ich sie übrigens auch im deutsch-polnischen Verhältnis sehe.
Vollständiges Interview im Katalog TRASA, Hg. J.Gerlach, KehrerVerlag Heidelberg